Eine Nachlese von Rico Obenauf
Einmal mehr muss die Gemeinde Neuenhagen bei Berlin einen bildungspolitischen Tiefschlag aus Seelow verkraften. Nach der immer fragwürdigeren Eilentscheidung, das dringend benötigte Gymnasium nicht am KWO sondern in Strausberg anzusiedeln und die Oberschule am Gruscheweg zugunsten einer überdimensionierten Oberschule in Altlandsberg nicht mehr zu verfolgen, wurde am 14.04.2021 auch noch die Förderschule aus Neuenhagen abgezogen.
Was war passiert: Die Gemeinde Neuenhagen bei Berlin und der Landkreis haben sich vor 4 Jahren dazu entschieden, einen gemeinsamen Schulcampus zu errichten. Der Landkreis wollte eine Förderschule und die Gemeinde eine Grundschule mit gemeinsamer Formensprache errichten. Zur Realisierung wurde ein Architektenwettbewerb durchgeführt, verbunden mit dem Auftrag, eine Verbindung zwischen der starken Bebauung am Gruscheweg und der übrigen Gemeinde zu schaffen. Der Schulbau solle das neue Wohngebiet „in den gewachsenen Ort hereinholen“.
Der Siegerentwurf, der, wie sich später herausstellte, bereits im Jahr 2017 Preisträger bei einem ähnlichen Wettbewerb in München war, entpuppte sich aber als Kostentreiber. Die Architekten mussten zugeben, dass der Gewinnerentwurf für den Grundschulteil nicht im Kostenrahmen realisierbar ist. Mindestens 50 % mehr müsse man schon nach der Kostenschätzung für den Schulkörper rechnen. Man hatte vermutlich die Preissteigerungen im Bau der vorherigen 4 Jahre nicht berücksichtigt.
Die Versuche der Architekten, die Kosten durch erhebliche Verkleinerungen zu reduzieren, brachten weder das Mindestmaß an Kosteneinsparungen noch ein Mehr an Kostensicherheit. Zudem war der neue Entwurf funktional mit dem Siegerentwurf kaum noch vergleichbar. Aus einer tollen (und teuren) Clusterschule wurde eine etwas geräumigere Flurschule. Alle Gemeindevertreter waren sich einig, dass einerseits dieser „Torso“ (Vorsitzende der Gemeindevertretung Frau Dr. Goetz) nur noch optisch mit dem Siegerentwurf vergleichbar ist und andererseits die nach wie vor hohen Kostenrisiken durch die abgespeckte Schule „nicht mehr gerechtfertigt“ sind (Bürgermeister Scharnke). Einstimmig hob die Gemeindevertretung die Vergabe des Grundschulteils auf.
Aber nicht, ohne den Landrat vorher zu unterrichten und mögliche Konsequenzen für den Bau der Förderschule zu erfragen. Eine Gefahr für die Förderschule sollte ausgeschlossen werden. Eine solche Gefahr hatte der Landrat im Juni 2020 verneint.
Warum wurde dann der Bau jetzt doch nach Altlandsberg vergeben? Am Baurecht lag es nicht, der Bebauungsplan als bauplanungsrechtliche Grundlage wurde am 08.12.2020 unter Zeitdruck durch die Gemeindevertretung beschlossen. Die Verwaltung des Landkreises gab zu, seit zwei Monaten eine einreichungsfähige Genehmigungsplanung in der Schublade zu haben, diese habe sie jedoch wegen Unsicherheiten bei der Erschließung noch nicht bei sich selbst als genehmigende Behörde eingereicht.
Diese Begründung verwundert sehr. Tatsächlich benötigen die Versorger etwas länger, um eine für den Schulbetrieb adäquate Dauerversorgung mit Wasser und Strom in die Tat umzusetzen. Auch konnte die Linienführen einer Baustraße während der Bauphase aufgrund der anstehenden Bauarbeiten am Kreisverkehr und dem Gruschweg an sich noch nicht festgelegt werden. Aber an der Baustellenversorgung mit vorübergehenden Anschlüssen und der Fertigstellung sämtlicher Erschließungsmaßnahmen bis zur Schuleröffnung bestanden zu keiner Zeit Zweifel.
Die Gemeinde Neuenhagen bei Berlin hat hier ihre tatkräftige Unterstützung zugesagt. Das ist mehr als jeder Häuslebauer erwarten kann. Dieser erhält die Baugenehmigung vom Landkreis unter der Bedingung, dass die Erschließung gesichert wird – worum sich der Bauherr dann selbst zu kümmern hat.
Interessant ist der Alternativstandort, für den sich der Kreistag nun entschieden hat. Die Schule solle gespiegelt auf dem neuen Campus auf dem freien Feld ohne entsprechende ÖPNV Anbindung in Altlandsberg entstehen. Wie sich dies mit der Aufgabenstellung im Auslobungsprozess verträgt, wirft Fragen auf. Während mehrere Entwürfe in diesem Wettbewerb bereits früh wegen der Verfehlung der Aufgabe scheiterten, hätten sie in Altlandsberg Landschaftsplanerisch durchaus eine Berechtigung gehabt.
Die von mir genannten Sorgen, hier nicht nur deswegen vergaberechtlich ein Risiko einzugehen, wurden vom Beigeordneten Schinkel zwar als vertretbar angesehen, aber man nehme halt eine andere Position ein. Der Landrat erklärte hingegen, man hätte keine Lust auf „juristische Spitzfindigkeiten und Vergaberechtsprüfungen eines Juraerstsemesters“.
Das ist bemerkenswert. Trotz der jüngeren Urteile, namentlich der Aufhebung des B-Plans „Gruscheweg 6“ und der erfolgreichen Vergabeanfechtung beim Schulneubau Fredersdorf, ist der Landrat also der Meinung, dass sich das Recht der Politik unterzuordnen habe.
Im Ergebnis spielte dieses Risiko bei der Bewertung keine Rolle und die Kreistagsabgeordneten ließen sich von den vagen Andeutungen hinsichtlich der Risiken in Neuenhagen blenden. Risiken, die am Standort Altlandsberg erst noch gefunden werden, wurden klein geredet. Diese werden naturgemäß aber erst dann entdeckt, wenn die Stadtverordnetenversammlung erstmals konkret mit dem Thema befasst wird und überhaupt mal eine konkrete Planung erstellt wird.
Neuenhagen muss mit der Entscheidung nun leben. Sie ist für Neuenhagen aber auch eine Chance. Für unsere Gemeinde ergeben sich nun Möglichkeiten, die dadurch freigewordene Fläche mit einer Kita zu belegen. Diese war im aufgehobenen B-Plan vorgesehen und wäre ohne diese neue Alternative wieder in die ferne Zukunft verschoben worden.
Kritisch hingegen ist die Entscheidung für die Kinder der Förderschule. die hoffentlich durch diese
Entscheidung nicht länger auf Ihre neue Schule warten müssen. Sollten sich die „juristischen
Spitzfindigkeiten“ bewahrheiten, wäre dies der Supergau. RO