• Die Parteilosen besetzen den zweiten Vorsitz der Gemeindevertretung

    In der Gemeindevertretung wurde am 13.06.2019 der Vorsitz zur Gemeindevertretung gewählt. Gewählt wurde Fr. Dr. Ilka Goetz mit 15 Stimmen. Unser Kandidat, Rico Obenauf, erhielt nach einer Bewerbungsrede 10 Stimmen. In den nächsten Wahlgängen wurde Rico Obenauf als zweiter Vorsitzender und Dr. Klaus Obendorf als Dritter Vorsitzender der Gemeindevertretung bestätigt.
    Wir gratulieren allen Vorsitzenden und wünschen eine gute Zusammenarbeit für die zukünftigen Aufgaben in der Gemeindevertretung.

    An dieser Stelle veröffentlichen wir nachfolgend die Bewerbungsrede von Rico Obenauf:

    Sehr geehrter Alterspräsident,
    sehr geehrter Gemeindevertreter,
    sehr geehrte Bürgermeister,
    sehr geehrte Mitarbeiter der Verwaltung und
    liebe Mitbürger und Gäste,

    mein Name ist Rico Obenauf, ich bin 39 Jahre alt, Mitglied der Fraktion der Parteilosen und bewerbe mich mit dieser Rede für den Vorsitz der Gemeindevertretung in der kommenden Legislaturperiode.

    Als stärkste Fraktion haben wir Parteilosen das Recht, den Anspruch und auch die Pflicht, für die Position des Vorsitzenden den 1. Wahlvorschlag einzureichen und diesen zur Abstimmung zu bringen. Mit meiner Kandidatur nehmen wir diese Pflicht wahr.

    Diese erste wichtige Entscheidung der Gemeindevertretung behandelt gar nicht so sehr die Frage ob eine bestimmte Person um wenige Prozent eloquenter, freundlicher, ausgeglichener oder überparteilicher ist, diese erste Entscheidung ist ein Tribut an die Wählerinnen und Wähler und eine Erklärung an diese, das Ergebnis der Wahl anzunehmen. Seit dem 26. Mai 2019 um 18 Uhr ist der Wahlkampf beendet. Jetzt ist es an der Zeit, dass alle gewählten Vertreter, die ihnen übertragene Aufgabe ernst nehmen und nicht mehr in einen Lagerkampf verfallen oder in diesem verharren.

    Umso überraschender war die spontane Aussage einer Fraktionsvorsitzenden in der MOZ, dass man sich bereits mit dem Ende der Wahl auf die alte und neue Gemeindevertretungsvorsitzende festlegen wolle, ohne auch nur ein Wort mit allen anderen in dieses Gremium gewählten Vertretern gesprochen zu haben oder das oben genannte Recht der stärksten Fraktion zu berücksichtigen.

    Es ist bedenklich, wenn bereits so kurz nach der Wahl, quasi im Angesicht einer besorgniserregenden Wahlniederlage, gleich wieder nur über Köpfe, Posten und Besetzungen gesprochen wird und übergreifende Schattenfraktionen gebildet werden. Das ist insofern bemerkenswert, als dass dadurch aus den wichtigen, teils gegensätzlichen Gruppen, Positionen und Farben ein beliebiges Einerlei wird.

    Interessanterweise gibt es dem Vernehmen sogar einen Namen für diese Gruppierung, so sollen Teile dieser Gruppe den Begriff „die fröhlichen 15“ nutzen. Das hoffentlich mit einem Augenzwinkern, denn tatsächlich besteht der Block aus Parteifraktionen aus 16 Gemeindevertretern.

    Glauben Sie mir, diese Entwicklung wie sie sich hier darstellt, schmerzt mich. Nicht, weil ich als Parteiloser aus dem Gremium quasi ausgeschlossen werden soll, ohne dass man meine Person je kennengelernt hat, auch nicht, weil diese „Fröhlichen 15“ der Meinung sind, mit außerparlamentarischer Absprache unter Ausschluss der Öffentlichkeit das eigene Wahlergebnis rückwirkend zu beschönigen, nein, es schmerzt mich, weil ich durchaus glaube, dass die Vielfalt der Parteienlandschaft für unser Land in allen Gremien und auf allen Ebenen ein unheimlich wichtiger Faktor für unseren Rechtsstaat ist. Wir alle wurden gewählt, um einen Teil der Bevölkerung und seine Vorlieben und Wünsche zu repräsentieren. Jeder steht für einen Markenkern. Die CDU steht für konservative Werte, die Linke für Sozialismus und Umverteilung zugunsten der Schwächeren, die Grünen für Nachhaltigkeit und Umweltschutz, die FDP für Wirtschaftsförderung und die SPD, nun ja, die SPD ist dafür zumindest auf Bundesebene derzeit ein schlechtes Beispiel, aber sie ist das beste Beispiel für die komplette Selbstaufgabe mit einhergehender Assimilation durch einen anderen. Ist es nicht ein Verrat am Wähler, wenn man sich nach der Wahl trotz der Unterschiede als eine Art Parteienblock präsentiert und uns, die stärkste Kraft als gemeinsamen Gegner kürt?

    Mein – zugegeben aufgrund einer Bedenkzeit etwas verzögertes – Gesprächsangebot an die Fraktionsvorsitzenden wurde nur von zwei Personen überhaupt mit einer Antwort bedacht. Als einziger Fraktionsvorsitzender hat hier lediglich Herr Stockburger das offene und ehrliche Gespräch gesucht und auch gefunden. Dies ist im Hinblick auf die bereits zitierte Kampfansage nach der Wahl ebenfalls bedenklich. Für das offene und ehrliche Gespräch möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

    Daher ist es mir ein inneres Anliegen, sollte ich den Vorsitz dieser Gemeindevertretung bekommen, dass dieser Lagerkampf aufhört. Es geht nicht um Personen, es geht nicht um die Person des Bürgermeisters, es geht nicht um Ausschüsse und deren Vorsitzende, es geht mir auch nicht um die Farbe des Parteibuches oder das Fehlen eines solchen. All diese Dinge und auch wir Gemeindevertreter sind nur Mittel zum Zweck und der Zweck ist das Wohlergehen und die gute Entwicklung unseres Ortes Neuenhagen und seiner Bürger. Dieser Pflicht kommen wir nach, wenn jeder für sich dem Auftrag des Wählers entsprechend bei Sachthemen seinen Markenkern einbringt und bei repräsentativen oder symbolischen Themen alle gemeinsam zeigen, dass der Wille des Bürgers etwas bedeutet.

    Sollten Sie Ihrer Pflicht nachkommen, in dem Sie dem Bürger mit den Worten „wir haben verstanden“ den ihm gebührenden Tribut zollen und mich zum Vorsitzenden wählen, ist es mein Anspruch, alle gewählten Vertreter an die Einhaltung der parlamentarischen Ordnung zu erinnern und die Sache und die Entwicklung des Ortes in den Vordergrund zu stellen. Ich lasse mich gern daran messen, ob ich zur richtigen Zeit auch Mitglieder meiner eigenen Fraktion in die Schranken gewiesen habe oder dafür gesorgt habe, dass ein Mitglied einer anderen Fraktion seine Rechte als gewählter Vertreter unabhängig seiner Eloquenz gehört wird und der Inhalt der Aussage, nicht seine angeblich fehlende Erfahrung als vermeintlicher Politiker in den Vordergrund rückt.

    Dieses Gremium soll einen Wettbewerb der Ideen führen, keinen Wettbewerb des Ausschließens oder der Verhinderung. Aus beruflicher Erfahrung kann ich sagen, dass es fast immer vertretbare Gegenmeinungen gibt, die das Recht haben gehört zu werden. Formalitäten sind zwar wichtig, dürfen aber niemals dafür verwendet werden, Fakten zu verwässern oder zu vertuschen.
    Es ist auch ein Irrglaube, zu denken, dass der Wähler parteiübergreifende Machtspiele nicht durchschaut.
    Versuche, persönliche Animositäten auf Kosten der Entwicklung unseres Neuenhagen hier im Ortsparlament auszuleben, werde ich nicht dulden, so Sie mir heute die Chance dazu geben.

    Wir alle sollten mittlerweile verstanden haben, dass solche Sandkastenspielereien in der Gemeindevertretung nichts zu suchen haben und letzten Endes nur dazu beitragen, dass die Politikerverdrossenheit bei den Bürgern steigt. Um es mal drastisch auszudrücken, wenn wir es nicht schaffen, jedem Bürger mit den für ihn im Vordergrund stehenden Werten einen abgrenzbaren Hort zu geben, dann werden sich ehemals politisch rot, grün, gelb oder schwarz wählende Bürger von der Politik abwenden. Und wissen Sie welche Farbe man erhält, wenn man diese Farben der unzufriedenen Bürger mischt? Man erhält ein dunkles, hässliches Braun.
    Eindringlicher und plakativer kann eine Metapher gar nicht sein.

    Liebe „Fröhliche 15“, ich bin Realist, der Ausgang der Wahl für dieses Amt mögen Sie außerhalb des rechtlich vorherbestimmten Ortes abgesprochen haben. Sie haben fast alle bereits über mich geurteilt, ohne auch nur ein Wort mit mir gewechselt zu haben.
    Ich wünsche mir, dass Sie, egal ob ich dem Gremium zukünftig vorstehe oder nicht, Sie uns Parteilose nicht als den natürlichen Gegner verstehen. Ich wünsche mir, dass Sie die bei uns anders als bei Ihnen noch vorhandene, ja sogar wachsende Basis als Quelle der Informationen nehmen und in enger Abstimmung mit uns unter Berücksichtigung Ihres Markenkerns und ohne Ansehen der handelnden Menschen die bestehenden Probleme angehen, egal wer welche Vorlage eingebracht hat.

    Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass bei der Wahl des Gemeinderatsvorsitzenden zum zweiten Mal hintereinander die Nichtwahl eines Gemeindevertreters droht, dessen Name mit dem Wort „oben“ beginnt, um am Ende doch eher das Gegenteil zu sein scheint.

    Sollte es so kommen, werde ich persönlich damit klarkommen. Aber lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen: Ist es Ihre Aufgabe, bei der ersten zuvorderst symbolischen Entscheidung nach Namen oder Parteian- bzw. -nichtangehörigkeit zu entscheiden?

    Liebe Gemeindevertreter nehmen Sie Ihre Pflicht wahr. Entscheiden Sie nach Ihrem Gewissen und anhand Ihrer Einschätzung, ob ich diese verantwortungsvolle Position über die gesamte Legislaturperiode in der Lage bin, adäquat auszuüben. Nur darum geht es.

    Zeigen Sie den Bürgern, dass Sie die Lösung der Probleme unserer Bürger für wichtiger halten als Ränkespiele und Machtgeschacher. Ich bin davon überzeugt, dass ich mindestens eine genauso gute Wahl für den Vorsitz bin, wie Frau Dr. Götz, die vor 5 Jahren auch als politischer Neuling diese Position übertragen bekommen und diesen nach meiner Meinung auch sehr gut ausgeübt hat.

    Zeigen Sie den Wählern, dass Sie sie ernst nehmen und für Sie die Parteipolitik lediglich bei den Sachthemen im Vordergrund steht. Zeigen Sie ihm, dass Sie die erste Aussage des Wählers, nämlich die des Gewinners der Wahl, anerkennen.
    Wenn Sie dies alles beherzigen, ist mir nicht bange, denn für eine konkrete Abneigung kennen Sie mich nicht gut genug.

    Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    Rico Obenauf

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